von Eugen Pfister
Autobiografische Einordnung
Am 23. November 2024 veranstalte ich gemeinsam mit meiner Kollegin Loïse Bilat von der Université de Lausanne an der Stadtbibliothek Biel / Bibliothèque de la Ville Bienne im Rahmen von der HKB-Veranstaltungsreihe „Biel Digital“ einen Workshop. In „Tout le monde joue aux jeux vidéo!“ werden wir gemeinsam über das Spielen mit Kindern sprechen. Gemeinsam werden wir dazu auf der Bühne auch einige Spiele anspielen und vorstellen, die in unserer Erfahrung für das gemeinsame Spielen mit Kindern geeignet erscheinen. Eine wunderbare Gelegenheit also mich im Vorfeld der Veranstaltung für das Thema vorzubereiten. Es folgt deshalb hier der zweite Teil meiner Erinnerungen an das gemeinsame Spielen mit unseren Kindern. Es handelt sich dabei um eine autobiographische Einordnung und ist insofern vor allem was die Zuverlässigkeit meines Gedächtnisses angeht kritisch einzuordnen.
Privat beschäftige ich mich ja auch schon mit dem Thema seit der Geburt unseres älteren Sohnes 2009. Ich hatte von Anfang an viel über digitale Spiele und Kinder nachgedacht, weil ich selbst als Kind – damals recht unkontrolliert – sehr viel – na gut sehr, sehr viel – auf meinem Computer gespielt hatte. Wie würde ich jetzt dazustehen, wenn unser Sohn digitale Spielt? Hatte ich Wünsche was er spielen sollte und wie lange? Angefangen hatte ich damit eine recht unvollständige Excel-Liste aller Spiele aufzustellen, die ich bisher gespielt hatte. Sie ist recht lange ausgefallen. Ich hatte Texte gelesen – vor allem Broschüren der BUPP. Vor allem aber hatte ich gemeinsam mit unserem Sohn bewusst Spiele ausprobiert.
- Digital mit Kindern Spielen (3-6): Was so am Anfang stand. Extended Version inkl. Eugens 5 liebste Apps
- Digital mit Kindern Spielen (6-10): Gemeinsam Spielen und gemeinsam über Spiele reden
Jetzt erst fällt mir auf, dass ich etwa zur selben Zeit – also um 2009 – begonnen hatte mich intensiver mit digitalen Spielen als Quellen bzw. Forschungsobjekten auseinanderzusetzen. Damals hatte ich die ersten Bücher aus dem Bereich der Game Studies gelesen. Im Nachhinein gesehen ist es natürlich nicht sonderlich überraschend, dass mein Einstieg in die Game Studies mit der Geburt unseres älteren Sohnes zusammenfiel. Es macht ja Sinn. Beidem, also sowohl der Frage was ich wie mit meinem Sohn spielen würde ebenso wie der Frage, wie ich meine Forschung auf digitale Spiele anwenden könnte, lag mein grundsätzliches Interesse an digitalen Spielen zu Grunde. Die anstehende Play Conférence in Biel/Bienne ist eine gute Gelegenheit mich daran zu erinnern, was der Auslöser für mein Interesse an den Game Studies war.

Während ich aber mein wissenschaftliches Interesse an digitalen Spielen im Rahmen meiner Forschung auf eine ideenhistorische Perspektive kanalisierte, blieb meine Auseinandersetzung mit digitalen Spielen und ihre Rolle in der Kindheit meines Sohnes die längste Zeit privat. Ich hatte mich wie gesagt vor allem basierend auf der Erinnerung an meine eigene Kindheit dafür interessiert, wie ich unserem Sohn – ab 2016 unseren Söhnen – möglichst früh einen kritischen und selbstreflexiven Umgang mit Spielen beibringen könnte. Ganz so privat blieb das dann aber dann doch nicht. Ich war zur Geburt des Älteren Anfang 30. Kurz darauf bekamen auch immer mehr Freund*innen und Verwandte Kinder. Und bald nachdem sich Freund*innen, Verwandte und Bekannte bei mir danach erkundigt hatten, weshalb ich eigentlich zu digitalen Spielen forsche, fiel ihnen eine bessere Frage ein: Welche Spiele lasse ich eigentlich unseren Sohn spielen und welche könne ich empfehlen? (Übrigens eine Frage, die meinem Freund Rainer Sigl auch oft gestellt worden sein dürfte, weswegen wir über viele Jahre mit der Idee gespielt hatten, einmal einen Ratgeber dazu zu schreiben.)
Basierend auf meiner eigenen Spiele-Biographie, ging ich ja optimistisch davon aus, dass digitale Spiele nicht grundsätzlich schädlich sein könnten, ebenso wenig wie übrigens Fernsehen und Comics. Zugleich wusste ich aber auch aus eigener Erfahrung von bestimmten Gefahren: das Suchtpotenzial und vor allem, dass es unmessbare Unmengen an wirklich, wirklich schlechten Spielen gab, gibt und immer geben wird. (Nun, mit der Zeitdisziplin unserer Söhne kämpfen wir immer noch, wobei ich sagen muss, dass beide das grundsätzlich schon sehr gut unter Kontrolle haben. Dazu in einem späteren Beitrag vielleicht mehr. ) Bleiben wir vorerst bei der Frage nach den grenzenlosen Weiten schlechter Spiele. Und damit meine ich ebenso dumme Spiele, wie hässliche Spiele, ebenso wie Spiele mit bedenklichen Inhalten. Natürlich konnte es nie Ziel sein, unsere Kinder hermetisch vom Spielen schlechter Spiele abzuschirmen. Wie auch? Im Gegenteil war es mir wichtig – wie meine Frau und ich es sonst ja auch bei Romanen, Filmen und Musik taten – nicht den Geschmack unserer Kinder zu diktieren, sondern ihnen bewusst Beispiele zu zeigen, die wir gut fanden, in der Hoffnung, dass sie mit der Zeit einen eigenen kritischen Geschmack entwickelten. Menschen vom Fach würden wohl auch Medienkompetenz dazu sagen.

Viele Fragen blieben offen, eines aber war mir von Anfang an klar: es konnte nicht das Ziel sein, dass ich meinem Buben “adäquate” Spiele zur Verfügung stelle und sie dann damit alleine lasse. So, gehts mal wass Sinnvolles spielen! Es war mir wichtig, dass wir gemeinsam spielten und diese ersten Spielerfahrungen teilten. Digitale Spiele wurden bei uns also am Anfang nur zu zweit gespielt. Sie sollten nicht Elternersatz sein, damit ich ein paar ruhige Minuten habe, sondern – am Anfang zumindest – gemeinsames Erleben. Jetzt aber auch gleich die Beruhigung für alle mit schlechtem Gewissen: Natürlich habe ich die Buben beide auch bald Spiele allein spielen lassen am Tablet, auf der Nintendo 3DS, auf der Switch und am Handy. Weil so unbegrenzt Zeit hat ja niemand. Zu dem Zeitpunkt kannte ich die Spiele die sie spielten aber schon recht gut.
Erste digitale Spiele & Apps finden
Mein mehr oder weniger unausgereifter Plan – basierend vor allem auf meiner eigenen Biographie und den wenigen einschlägigen Broschüren die mir zur Verfügung standen – war es also einfach, durch das gemeinsame Spielen zum einen zu wissen, was die Buben spielen und ihnen zum anderen beizubringen einen eigenen Geschmack für Spiele zu entwickeln sowie gewisse Qualitätskriterien. Beides ist uns gelungen, soviel seit jetzt schon verraten. Dazu mehr noch in späteren Blogbeiträgen.

Für diesen Blog jetzt will ich versuchen mich an die ersten Spiele zu erinnern, die ich gemeinsam mit unserem älteren Sohn gespielt hatte. Gar keine so leichte Aufgabe. Die frühen 2010er Jahre liegen nun auch schon etwas zurück. Ich erinnerte mich noch gut, dass ich Anfangs mit dem Jakob viel auf meinem iPad mini gespielt habe. Ich erinnere mich auch noch daran, dass meine Schwiegermutter ein wichtiger Impulsgeber war. Wenn Sie einmal unseren Sohn für ein Wochenende oder in den Sommerferien für eine Woche zu sich aufs Land nahm, erkundigte sie sich zuerst bei uns welche Filme und Serien er denn mochte und welche Spiele am iPad denn „gut“ wären für jene Stunden, wo die beiden eben nicht gemeinsam im Wald, auf Burgen oder an Seen waren. Dann googelte ich meist einschlägige Listen – oft auch von „Eltern“-Zeitungen und Ratgebern – und schaute mir die Spiele an.

Aber ich könnte heute nicht mehr sagen, wann unser ältester Sohn, das erste Mal ein digitales Spiel gespielt hätte. Ich hätte durchaus vermutet mit zwei oder drei. Aber mit Sicherheit sagen? Nun, ich bin jetzt den Verlauf meiner Käufe bei Apple durchgegangen. Im Februar 2013 hatte ich die „Kleiner Fuchs Kinderlieder“ von Fox and Sheep gekauft. Da war unser älterer Sohn etwas unter vier Jahre alt. Übrigens ein Spiel von dem ich glaube, dass es meine Frau ausgesucht hat. Im selben Jahr habe ich auch die „Wimmelburg“ von Ravensburger und Sago Mini Zauberwald, sowie den ganz besonders großartigen „Streichelzoo“ von Christoph Niemann gekauft. Ich erinnere mich außerdem vage an ein interaktives Kinderbuch sowie an die App „Schlaf gut“ ebenfalls von Fox and Sheep. Bei unserem jüngeren Sohn kam dann “Loopimal” von YATATOY und “Gnog” von KO_OP dazu. Alle genannten Apps/Spiele erinnern mich an einen ganz wichtigen Punkt, bei meiner Auswahl digitaler Spiele damals. Sie mussten mir auch gefallen.

Warum ich nur Spiele aussuchte die mir auch selber Spaß machten
Mein Ziel war ja die digitalen Spiele möglichst viel mit unserem Sohn zu spielen und zu erkunden. Da wäre ich doch schön blöd gewesen, wenn ich Spiele ausgesucht hätte, die mich in den Wahnsinn getrieben hätten. Und davon gab und gibt es viele. Sehr viele. Ich hätte keine noch so „pädagogisch wertvollen“ Spiele ausgesucht, die mir nicht auch gefallen hätten. Sowohl auf Ebene der Erzählung, der audiovisuellen Ästhetik als auch de Spielmechanik. Ich war davon überzeugt, dass wenn mir die Spiele gefielen es auch unseren Sohn um vieles leichter fallen würde sich auf diese einzulassen.

Über Spiele sprechen
Abgesehen davon denke ich, dass es ganz wichtig ist sich für die Spiele der eigenen Kinder zu interessieren. Ich erinnere mich daran, dass unsere Söhne beide uns ganz viel von ihren Spielerfahrungen berichteten. Genuines Interesse fällt dann auf Elternseite sehr viel leichter, wenn es Spiele sind, die einem selbst Spaß machen. Gerade zu Anfang der Kindheit also von 2-6 war es dann auch in meiner Erfahrung so, dass beide Söhne vor allem Spiele spielten die ich ausgesucht hatte, und die mir gefielen. Sie waren bis zu einem gewissen Grad dann auch immun gegen Spiele, die sie von Freund*innen und Verwandten, von denen sie wussten, dass sie mir nicht gefielen. Wir sprachen auch von Anfang darüber, was mir und was ihnen und was ihren Freund*innen an Spielen gefiel.

Es kam bei beiden Söhnen dann bald der Moment, dass sie nicht mehr einfach übernahmen, was mir gefiel, sondern einen eigenen Geschmack entwickelten. Besonders spannend fand ich ja, dass unser jüngerer Sohn sich ganz stark auch von seinem sieben Jahre älteren Bruder beeinflussen ließ. Genau so wie ich und unser jüngerer Sohn gemeinsame Spiele hatte, hatte er recht bald gemeinsame Spiele mit seinem älteren Bruder, die letzterem besonders gut gefielen.

Jetzt habe ich natürlich auch ein wenig die Tendenz im Nachhinein das gemeinsame Spielen mit unseren Söhnen zur Erfolgsgeschichte zu verklären. Da waren schon auch einige sehr dumme Apps dabei. Bezeichnenderweise erinnere ich mich an diese aber kaum noch. Wir haben naturgemäß nicht durchgehend mit Ihnen gespielt. Wir haben natürlich Momente gehabt, wo wir zum Beispiel lange auf einen Termin warten mussten und Spiele als Ablenkung benutzt hatten. Aber insgesamt erinnere ich mich vor allem an wunderschöne Momente des gemeinsamen Spielens. Ich erinnere mich daran wie stolz ich war, wenn unsere Söhne schwierige Passagen besonders gut gemeistert haben, oder gar überraschende eigene Lösungswege entdeckt haben und ich erinnere mich gerne an besonders schöne Apps. Insbesondere der Streichelzoo ist noch immer auf meinem Handy und wird auch heute noch von beiden Söhnen ab und an gespielt.
Meine liebsten Spiele/Apps für 2+
Edit (07.10.2024): So jetzt hab ich natürlich das wichtigste vergessen. Zum Glück habe ich aber Freunde wie den Lukas, die mich schnell auf solche Lapsi hinweisen. Ich habe zwar ein paar Spiele erwähnt, die ich gut fande. Aber richtige Empfehlungen waren das bisher keine. Das will ich hier nachholen. Nun kann ich naturgemäß keine aktualisierte Liste anbieten, sondern nur Spiele, die ich entweder in den frühen 2010er Jahren oder aber den späten 2010er Jahren gut fand. Ich schlage jetzt nur Spiele vor, die es auch noch immer aktuell zu finden gibt.
- Streichelzoo von Fox & Sheep: Ich habs ja schon gesagt. Meine absolute Lieblingsapp, schon für den ersten Sohn und dann auch selbstverständlich für den zweiten. Und ich mag das Spiel noch immer, wie man in diesem Blogpost auf Rainer Sigls leider geschlossenem Blog nachlesen kann. Das Spiel wurde von Christian Niemann gestaltet und erschien 2013 bei Fox & Sheep. Erst vier Jahre später erfuhr ich im Rahmen der Netflix-Doku “Abstrakt: Design als Kunst”, dass Niemann unter anderem viele sehr geniale Cover für The New Yorker designt hat. Seitdem folge ich ihm auf Instagram. Das Spiel ist nicht nur schön, es ist auch klug sowohl in seiner audiovisuellen Gestaltung als auch in der Spielmechanik. Ich finde es nach wie vor – elf Jahre lang habe ich immer wieder viel Zeit damit verbracht – befriedigend mit dem Spiel zu interagieren. Den Löwen von links nach rechts zu föhnen und von rechts nach links. Der Dackel. Oh, der Dackel.
- Loopimal von YATATOY: Ich glaub das Spiel war eine Empfehlung vom Rainer Sigl, als ich ihn einmal für unseren Zweitgeborenen nach Spielideen gefragt hatte. Es handelt sich um eine hübsch gezeichnete und gestaltete Rythmus-App, bei welcher man für unterschiedliche Tiere, basierend auf einem Grundbeat mit fünf unterschiedlichen Tonfolgen und auch Tanzbewegungen eine Choreographie zusammenstellen kann. Dankenswerterweise ist die Musik sehr gut verträglich, auch nach längerer Zeit. Das Spiel findet sich vermutlich auch deshalb auf vielen Empfehlungslisten (wie zB im Buch “Programmieren im Kindergarten: Grundlagen und erste Übungen” von 2020). Wobei ich ja in dem Alter nichts davon halte, sich bei der Spielwahl vom Lernergebnis leiten zu lassen.
- GNOG von Ko-Op: GNOG ist 2017 bei Double Fine erschienen. Das hat mir damals als Grund gereicht. ich glaub auch, dass ich das Spiel eigentlich für mich gekauft hatte, weil damals der Pleine noch gar klein war. Jedenfalls hat es dann aber der Jüngere früh gern gespielt. es handelt sich um ein schön gestaltetes und reichlich abgefahrenes Puzzle Spiel. In mehreren “Boxen”, müssen kleine Geschichten mittels logischer Puzzlerätsel vorangetrieben werden, wobei die Story so abstrakt ist, dass ich sie oft nicht wirklich verstanden hab. Glaub ich. Was hat es zum Beispiel mit dem U-Boot auf sich? Das ist aber in dem Fall auch gar nicht wichtig.
- Kleiner Fuchs Kinderlieder: Noch eine App von Fox & Sheep, die wir viel mit unserem älteren Sohn gespielt hatten. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaub die App kam entweder von meiner Frau oder von meiner Schwiegermutter. Im Grunde handelt es sich nur um drei interaktive Wimmelbilder mit klassischen englischen Kinderliedern. Sie sind ganz herzig gezeichnet, die Lieder sind simpel arrangiert – was erstaunlicherweise bei Kinderliedern leider die Minderheit ist; es gibt so viele unerträgliche Kinderlieder auf der Welt.
Alle Bilder: Eugen Pfister
Empfohlene Zitierweise : Eugen Pfister: “Digital mit Kindern Spielen (3-6): Was so am Anfang stand. Extended Version inkl. Eugens 5 liebste Apps” in: Spiel-Kultur-Wissenschaften, <http://spielkult.hypotheses.org/6452> 06.10.2024
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Eugen Pfister (5. Oktober 2024). Digital mit Kindern Spielen (3-6): Was so am Anfang stand. Extended Version inkl. Eugens 5 liebste Apps. Spiel-Kultur-Wissenschaft. Abgerufen am 9. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/12fca
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